COVID-19: Können ACE-Hemmer und Angiotensinrezeptorblocker die Prognose hypertoner Patienten verbessern?

Jüngste Bedenken, dass gängige blutdrucksenkende Medikamente bei COVID-19-Patienten negative Auswirkungen haben könnten, werden durch neue Forschungsergebniss offenbar nicht untermauert. Das berichten Wissenschaftler in einem aktuellen Review, der gerade in „Mayo Clinic Proceedings“ publiziert wurde.

Patienten mit Grunderkrankungen wie Bluthochdruck, Herzinsuffizienz und chronischer Nierenerkrankung besitzen ein erhöhtes Risiko für eine schwere COVID-19-Erkrankung. Derzeit wird im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie viel über den möglichen Einfluss von Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmern (ACE-Hemmern) und Angiotensin-Rezeptor-Blockern (ARB) diskutiert. Denn eine der Möglichkeiten, wie das Virus in den Körper gelangt, ist ACE2 – das Enzym, das Angiotensin I in der Lunge und anderen Geweben und Organen in Angiotensin II umwandelt. Dies scheint darauf hinzudeuten, dass die entsprechenden Medikamente die Anfälligkeit für das Virus und die Schwere der Krankheit erhöhen können.

In dem nun veröffentlichten Review betrachtet eine Gruppe von Wissenschaftlern die Kontroverse im Detail, um das Evidenzniveau in dieser Frage zu klären. „Entsprechend den aktuellen Richtlinien empfehlen wir Patienten mit Bluthochdruck, weiterhin ohne Unterbrechung blutdrucksenkende Medikamente einzunehmen“, betont Dr. Fabian Sanchis-Gomar von der Universität Valencia (Spanien) und dem Biomedizinischen Forschungsinstitut INCLIVA. Sanchis-Gomar ist außerdem an der Stanford University School of Medicine (USA) tätig.

Nach eingehender Prüfung von mehr als 60 veröffentlichten Studien kommen Sanchis-Gomar und seine Mitautoren zu dem Schluss, dass bisher keine Studien über einen Anstieg der Spiegel von zirkulierendem ACE2 oder eine Erhöhung der Expression berichtet haben. Die Autoren des Reviews schreiben auch, dass eine erhöhte Expression nicht unbedingt ein erhöhtes Infektionsrisiko oder im Falle einer Ansteckung eine schwerere Erkrankung bedeuten würde. Die Arbeit umfasste Studien, die darauf hinweisen, dass erhöhte Angiotensin-II-Spiegel – das Ziel von RAAS-Inhibitoren (Renin-Angiotensin-Aldosteron-System) wie ACEI und ARB – das akute Atemnotsyndrom (ARDS) bei COVID-19-Patienten fördern können. Andere Untersuchungen legen nahe, dass RAAS-Inhibitoren eine Rolle bei der Behandlung von COVID-19 spielen könnten. Die Autoren des Reviews stellen jedoch fest, dass viel mehr Forschung und Evidenz erforderlich sind, um darüber eine Aussage zu treffen.

In einem den Review begleitenden Video führt Koautor Dr. Carl J. Lavie vom John Ochsner Heart and Vascular Institute an der Ochsner Clinical School – University of Queensland School of Medicine in New Orleans (USA) aus: „Es ist bekannt, dass Angiotensin II Entzündung, Oxygenierung, Vasokonstriktion und Fibrose begünstigt. Es ist daher ganz gut vorstellbar, dass ein Wirkstoff, der die Produktion dieses Hormons hemmen kann, tatsächlich sehr nützlich für die Vorbeugung von Lungenschäden und auch für die systemische Gesundheit ist. Es ist sicherlich verfrüht, jetzt mit der Gabe diese Wirkstoffe als präventives Mittel gegen COVID-19 bei solchen Patienten zu beginnen, bei denen kein anderer Indikator für RAAS-Inhibitoren vorliegt. Dies ist aber ein aktives Feld für die Forschung.“

Aktuelle Erkenntnisse deuten darauf hin, dass RAAS-Inhibitoren die Mortalität bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen signifikant senken, das Fortschreiten chronischer Nierenerkrankungen verringern und der Grundpfeiler der Therapie von Herzinsuffizienz und Bluthochdruck sind. „Die Behandlung mit ACEI oder ARB sollte wie indiziert bei Patienten unabhängig von COVID-19 aufrechterhalten oder eingeleitet werden“, betont Sanchis-Gomar.

Zwar gibt es keine Unterschiede zwischen ARB und ACEI hinsichtlich der Wirksamkeit bei der Senkung des Blutdrucks und der Verbesserung anderer Outcomes, doch tritt ein Husten, der manchmal mit der Einnahme von ACEI verbunden ist, unter ARB seltener auf und die Abbruchraten aufgrund unerwünschter Ereignisse sind mit ARB geringer. „Angesichts der gleichen Wirksamkeit, aber weniger unerwünschten Ereignisse könnten ARB möglicherweise eine günstigere Behandlungsoption bei COVID-19-Patienten mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung schwerer Formen der Krankheit darstellen“, erklärt Sanchis-Gomar.

Quelle:
Sanchis-Gomar F et al. Angiotensin-Converting Enzyme 2 and Anti-Hypertensives (Angiotensin Receptor Blockers and Angiotensin Converting Enzyme Inhibitors) in Coronavirus Disease 2019 (COVID-19). Mayo Clin Proc. 2020;95(6)


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