Dank einer neuen Studie ist es nun erstmals möglich, die Häufigkeit von Nierenschäden in Deutschland quantitativ zu schätzen.
In der Studie „Prävalenz der eingeschränkten Nierenfunktion“ haben Wissenschaftler um Professor Matthias Girndt, Nephrologe und Direktor der Klinik für Innere Medizin II am Universitätsklinikum Halle (Saale) und Dr. Pietro Trocchi vom Institut für Epidemiologie, Biometrie und Informatik der Medizinischen Fakultät Halle in Kooperation mit Professor Andreas Stang vom Universitätsklinikum Essen Daten der bundesweiten „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland 2008-2011 (DEGS1)“ des Robert-Koch-Institutes ausgewertet.
Das Robert-Koch-Institut führt regelmäßig Erhebungen im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung des Bundes durch. Unter anderem wurden dabei Daten zur Nierenfunktion erhoben, die die Hallenser Wissenschaftler jetzt auswerten konnten. Konkret wurden Nierenfunktionsparameter bestimmt und Fragen zu Nierenfunktionsstörungen sowie ihrer Behandlung gestellt. Befragt wurden 7.115 Männer und Frauen im Alter von 18 bis 79 Jahren. Aus diesen Daten wurde ermittelt, dass im Jahr 2011 etwa 1,5 Millionen Menschen in Deutschland in dieser Altersgruppe eine eingeschränkte Nierenfunktion hatten. Rechnet man die Zahlen auch auf Menschen älter als 80 Jahre hoch, kommt man für ganz Deutschland auf mindestens zwei Millionen Menschen. Personen unter 50 Jahren sind eher selten betroffen, in der Altersgruppe 70 bis 79 Jahre ist hingegen jeder achte betroffen. In dieser Altersgruppe sind zudem Frauen häufiger nierenkrank als Männer, die genauen Ursachen dafür werden noch erforscht.
Bezieht man jegliche Zeichen renaler Schädigungen ein, kann davon ausgegangen werden, dass rund zehn Millionen Menschen in Deutschland ein höheres Risiko für Nierenschädigungen haben.
Insbesondere Diabetes mellitus sowie Bluthochdruck gelten dabei als Risikofaktoren für eine chronische Nierenschwäche. Sie sind zahlenmäßig auch die häufigsten Ursachen für eine dauerhafte Dialysepflicht. Zudem kann Rauchen bei einem vorhandenen Nierenproblem zu einer Verschlechterung beitragen.
Bisher gab es eine solche bevölkerungsbasierte Schätzung für Deutschland nicht, stattdessen wurden Erhebungen in den USA statistisch auf Deutschland umgelegt. Lediglich für die Nierenersatztherapie waren Zahlen bekannt.
Die Zahlen sind zum einen insofern von Bedeutung, weil eine mittelgradige Einschränkung der Nierenfunktion das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen drastisch erhöht. Zum anderen aber auch deshalb, weil sie dazu beitragen, den Versorgungsbedarf mit Nierenersatztherapien als mögliche Folge einer chronischen Nierenerkrankung sowie von ungenutztem Präventionspotenzial abschätzen zu können.
„Wir hoffen, dass diese Zahlen darauf aufmerksam machen, wie viele Menschen von Nierenschäden bedroht sind“, sagt Prof. Girndt. „Schließlich sind Fortschreiten und Verschlechterung in der Mehrzahl der Fälle durch geeignete Behandlung vermeidbar.“